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Dienstag, 10. Oktober 2017

Der Bergsturz von Gand und der einzigartige Lebensraum der Eislöcher

"Unter diesen chaotischen Steinmassen tiefen sich da und dort schaurige Löcher und Höhlen, in welchen man zur heißen Sommerszeit eine fast unerträgliche Kälte, selbst unvergängliches Eis, und an dessen Rand, merkwürdig genug, die blühenden Alpenrosen und den wohlriechenden Speik findet."
Johann Jakob Staffler in 1846

Der felsige Untergrund rund um Bozen besteht aus den sogenannten Bozner Porphyr oder nach moderner Bezeichnung die Etschtaler Vulkanit-Gruppe/Südtiroler Vulkanitkomplex. Aus diesen Gestein besteht auch der Bergsturz vom Gandberg, der mehr als einen Quadratkilometer mit unzähligen großen und kleinen Porphyrblöcken bedeckt. 

Ansicht der Eppaner Gand und Eislöcher, aus Wilhelm Pfaff (1933) "Die Eislöcher in Ueberetsch ihre Vegetationsverhältnisse und ihre Flora."


Das Alter des Bergsturzes ist unbekannt, er muss aber jünger als die letzte Eiszeit sein, da er auf gerundeten Geröllen und Schottern aufliegt, welche dort offenbar von der Etsch nach Abschmelzen der Gletscher abgelagert worden sind. Gerölle aus diesen Ablagerungen wurden für eine kleine Kapelle in der Nähe verwendet. Interessant ist hier auch eine angebliche Sage, die sich um eine durch den Bergsturz verschüttete Stadt dreht:

"Manche der eingangs angeführten Schriftsteller... nehmen jedoch an, daß die Eppaner Gand überhaupt nicht durch einen einzigen Bergsturz, sondern durch mehrere, in größeren Zeiträumen aufeinander-folgenden Bergstürze aufgeschüttet, daß insbesonders die Talfurche an ihrem Südende erst durch einen viel jüngeren, nach mündlicher Überliefern um das Jahr 1000 nach Christus erfolgten Bergsturz zugeschüttet worden sei und daß die Siedlung auf der Lambrech bis zu dieser Zeit bewohnt … seien. Allen diesen Annahmen fehlt es jedoch an einer sicheren tatsächlichen Grundlage."
Wilhelm Pfaff (1933) "Die Eislöcher in Ueberetsch ihre Vegetationsverhältnisse und ihre Flora."

Dieser Bergsturz heißt im Volksmund die Eppaner Gand  (Gand, ein altes langobardsches Wort, bedeutet so viel wie Felssturz oder Trümmerfeld). Die Bergsturzmasse liegen zwischen 515 bis 520 Meter ü.d.M. und ist durch eine langgezogene Mulde gekennzeichnet. Das Sturzfeld ist mit einem Wald aus Edelkastanien und Föhren bedeckt, große Teile sind auch unbewachsen. Das grobe Blockwerk führt auch zum Phänomen der Eislöcher. Luft strömt durch ein Spaltensystem zwischen den Porphyrblöcken der Geröllhalde, die auf den Fuße des Bergsturzes aufliegt, von oben nach unten und kühlt sich dabei ab. Die schwere kalte Luft bleibt als Kaltluftsee von etwa fünf Metern Höhe in der Mulde liegen. Die Temperatur kann bis zu 20° kühler sein als auf der nahen Kuppe des Lambrech-Hügels.

Abbruchnische in den Porphyrwänden des Gandberges, Senke und Lambrech-Hügel.

Geologische Karte mit anstehendem Festgestein, groben Bergsturzablagerungen und Luftströmungen im feineren Hangschutt/Geröllhalde bis zur Senke.


Infolge diesen kühlen Klimas gedeihen hier Pflanzen die sonst nur wesentlich höher, bis zu 1000 Metern, in alpinen Regionen zu finden sind. An der Basis der Senke gedeihen kälteresistente Pflanzen, am Rand dagegen wärmeliebende Pflanzen. Über 600 Pflanzenarten können hier auf engsten Raum gefunden werden, davon über 160 Flechtenarten. Man kann mit wenigen Schritten vom Submediterranean Buschwald, mit der Kastanie, zu einem Subalpin-montanen Fichtenwald zur subalpiner Zwergstrauchheide, mit der Alpenrose, zu einem Alpin-subalpinen Rasen, mit Alpen-Rispengras, Flechten und Moose, gelangen. 

Abbruchnische mit Geröllhalde und Erlengebüsch.

Fichtenwald auf groben Blockwerk, Schnee bleibt in der Mulde bevorzugt liegen, selbst in trockenen Wintern.

Alpenrose zwischen Felsblöcken.

Buchenwald auf stärker verwitterten Blockwerk.

1 Kommentar:

  1. Sehr interessant und aufschlußreich. Das Phänomen der Kaltluftgänge gibt es übrigens auch am Lago d'Iseo, wo man jedoch von unterliegendem Alteis des ehemaligen Gletschers ausgeht.

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