Seiten

Freitag, 30. September 2016

Zitat: Ich brauche nicht des Längeren...

Ich brauche nicht des Längeren die Freude und das Vergnügen darzulegen, welche uns die Kenntnis der Pflanzen bringt, denn es gibt niemanden, der nicht wüsste, dass nichts im Leben so freudenreich und vergnüglich ist, wie durch die Wälder zu wandern und über Berge und Wiesen, die mit diesen vielfältigen, erlesenen Blumen und Kräuter bekränzt und geziert sind, und sie mit offenen Augen zu schauen. Freude und Vergnügen werden nicht wenig erhöht, wenn das Verständnis ihres Nutzens und ihrer Kräfte hinzukommt. Denn im Lernen ist so viel Freude und Vergnügen wie im Schauen.
 
Titelblatt der "De Historia Stirpium commentarii insignes", Leonhart Fuchs (1542).

Donnerstag, 29. September 2016

Naturforscher Ulisse Aldrovandi (1522-1605)

Ich habe niemals etwas beschrieben, ohne es zuvor mit eigenen Augen gesehen und die Anatomie seiner äußeren wie inneren Teile untersucht zu haben.“
Ulisse Aldrovandi

Der italienische Philosoph, Mediziner und Naturforscher Ulisse Aldrovandi  (1522-1605) erkannte den Wert den genaue Beobachtungen und Darstellungen für die Naturwissenschaften haben konnte, sein Erbe ist eine der schönsten Sammlung von Tier- und Pflanzendarstellungen der Renaissance. Aldrovandi war aber auch ein Verfechter der nützlichen Wissenschaften – Wissenschaft sollte dem Menschen und besonders seiner Gesundheit nützen. So erstellte er einen Katalog der Arzneien für die Apotheken in Bologna und gründete dort auch einen öffentlich zugänglichen botanischen Garten (Pflanzen waren zur damaligen Zeit wichtige Heilmittel).
Aldrovandi war bestrebt einen Katalog aller bekannten Arten von Tieren, Pflanzen und Mineralien zu veröffentlichen, am wichtigsten war ihm dabei die persönliche Erfahrung mit dem Studienobjekt. Er reiste daher ausgiebig in Italien und ließ sich zahlreiche Exemplare von exotischen Tieren zuschicken. Nach 50 Jahren Sammeltätigkeit enthielt sein Museum über 18.000 „natürliche Dinge“, Proben als auch Abbildung von Naturobjekten, darunter 7.000 getrocknete Pflanzen. 1571 beschrieb es ein Besucher als „ein Kompendium aller natürlichen Dinge, die man unter und über der Erde, in der Luft und im Wasser findet“. Aldrovandi hatte über 8.000 Aquarelle im Auftrag gegeben (3.000 existieren noch) die Studien- und Lehrzwecke dienten. Zu seinem Lebzeiten wurden Kopien dieser Abbildung in drei Bücher über die Vögel und eines über Insekten veröffentlicht, neun Bände, davon einer über Monster, wurden nach seinem Tod veröffentlicht. Aldrovandis gesamte Sammlung und Bibliothek diente als Grundlage des ersten öffentlichen Museums von Bologna.

Der Steinbock, Abbildung aus  Aldrovandis Sammlung, um 1605.

Sonntag, 25. September 2016

Die Gipfelregionen der Alpen - Leben am Limit

Sammelkarte mit der Alpinen Fauna, um 1909.

In den Alpen können die Klimazonen von den mittleren Breiten bis in die Polargebiete in nur wenigen Stunden durchstreift werden – Pflanzen und Tiere mussten sich diesen extremen Lebensräumen anpassen.

Freitag, 23. September 2016

Auswirkungen des Klimawandels auf die Gebirgspflanzen

Der Klimawandel trifft die Gebirge dieser Welt besonders hart. Steigenden Temperaturen führen zur Verschiebungen der klimatischen Höhenstufen mit Auswirkungen auf das Gebirge selbst aber auch Veränderungen der Fauna und Flora. Allerdings ist die Auswirkung auf Organismen schwierig zu erfassen, genaue Daten über die höhenabhängige Verbreitung von Tieren und Pflanzen gibt es erst seit gut 150 bis 200 Jahren. Eine der ersten Arbeiten war dabei die botanische Erfassung des 6.268 Meter hohen Chimborazo im Jahre 1802 durch den Naturforscher Friedrich Alexander Freiherr von Humboldt (1769-1859) und Botaniker Aimé Jacques Alexandre Bonpland (1773-1858). Die beiden Forscher sammelten nicht nur Pflanzen sondern maßen auch verschiedene klimatische Parameter, wie Temperatur und Luftdruck. Die Ergebnisse wurden in 1805 unter dem Titel „Essai sur la géographie des plantes“ publiziert, nebst einem Querschnitt des Gebirges mit den verschiedenen Vegetationsstufen.
Eine moderne Forschergruppe folgte den Spuren dieser beiden Pioniere beinahe 200 Jahre später und kartierte die heutige Verbreitung von Pflanzen und die Schneelinie am Chimborazo, die Ergebnisse wurden 2015 im Paper „Strong upslope shifts in Chimborazo's vegetation over two centuries since Humboldt“ veröffentlicht.
 
Die Forscher kartierten ab 3.800m Höhe in 100m Stufen die dort angetroffene Vegetation. Die Ergebnisse erstaunten die Wissenschaftler. Während Humboldts Untersuchung lag die Vegetationsgrenze bei 4.600m, heutzutage wurden noch bei 5.185m lebensfähige Pflanzen vorgefunden. Eis traf Humboldt auf 4.814m an, heute hat sich die Eiskappe des Chimborazo auf 5.270m zurückgezogen, wahrscheinlich, neben den steigenden Temperaturen, auch aufgrund verminderter Niederschläge. In den unteren Vegetationsgürtel konnten bestimmte Pflanzenarten um die 500 bis 700m höher als zu Humboldts Zeiten angetroffen werden.
 
Auch in den Alpen gibt es einige historische Untersuchungen die die  Auswirkungen des Klimawandels in den letzten 150 Jahren aufzeigen. Der Klimawandel trifft den Alpenraum besonders hart, hier war der Temperaturanstieg vom späten 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts um die  2°C, doppelt so hoch wie im globalem Durchschnitt. Prognosen sprechen von weiteren 2-5°C in den nächsten hundert Jahren. Die höheren Temperaturen haben nicht nur Einfluss auf Felsen und Steinschlag, Gletscher ziehen sich zurück und der Permafrost schmilzt ab, sondern auch auf Pflanzen und Tiere der Alpen. 

Abb.1. Der Rotmoosferner in der Ötztaler Gebirgsgruppe im Jahre 2006.
 
Der Schweizer Alpinist und Botaniker Oswald Heer war einer der Ersten der vegetationskundliche Aufnahmen im europäischen Hochgebirge durchführte. Im Jahre 1835 zählte er nur eine höhere Pflanze – den Alpen-Mannsschild - auf dem 3.411m hohen Piz Linard in der Silvretta-Gruppe.
  • 1864 tauchte der Gletscher-Hahnenfuß und eine Margeriten-Art auf
  • 1895 zwei Steinbrech-Arten
  • 1911 waren es schon weitere acht Arten
  • 1937 waren es schließlich zehn Arten.
Auf der Napfspitze (Zillertaler Alpen) konnte ebenfalls eine Zunahme der Pflanzenarten von 31 auf 53 Arten beobachtet werden. In der Bernina-Gruppe stieg in den letzten 100 Jahren die Artenanzahl von 10 auf 28. Diese Untersuchung zeigte allerdings auch auf das die absolute Diversität in der Höhe abnimmt - die Gipfel werden immer einheitlicher in ihrer Pflanzendecke untereinander.
 
Weit über ein Drittel aller europäischen Gefäßpflanzen findet man den Alpen, ein Ergebnis der geologischen und klimatologischen Vielfalt dieses Gebirges. Allerdings folgen die Pflanzen den abschmelzenden Gletschern. Auf zunehmende Temperaturen reagieren Pflanzen zeitverzögert mit einem Höhersteigen oder mit unterschiedlichen physiologischen Reaktionen. Alpen-Wundklee (Anthyllis sp.) und Moränenklee (Trifolium sp.) steigern zum Beispiel ihr Wachstum. Bei acht häufigen Alpenpflanzen, wie das Flattnitz-Felsblümchen (Draba fladnizensis) und Gegenblatt-Steinbrech (Saxifraga oppositifolia), wurden maximale Vertikalbewegungen von 4m in 10 Jahren beobachtet, viele Arten wandern allerdings nicht oder kaum höher. Jedoch werden Spezialisten durch die wenigen Arten die vom Klimawandel profitieren nach oben hin verdrängt, wo weniger Lebensraum vorhanden ist.

Abb.2. Saxifraga oppositifolia im Gletschervorfeld des Rotmoosferners.

Die Baumgrenze hat sich in den Alpen um 100 Höhenmeter nach oben verschoben, in den dunklen Wäldern können viele lichtbedürftige Pflanzenarten nicht überleben. Montane und Subalpine Arten (Zwergsträucher und Bäume) verdrängen bei ihrem Höhersteigen weiter oben alpine Spezialisten. In verschiedenen Gebirgen der Erde sind Bäume bereits 10 bis 500m höher als in der Vergangenheit anzutreffen, auch breitere Baumringe sind ein Hinweis auf bessere Wachstumsbedingungen für diese Pflanzengruppen. 

Die höchsteigenden Pflanzen in den Alpen sind der Gletscherhahnefuß (Ranunculus glacialis) der auf 4.270m am Finsterahorn noch gefunden wurde, der Gletscher-Mannschild (Androsace alpina), der am Matterhorn auf 4.200m gefunden wurde und der Zweiblüten-Steinbrech (Saxifraga biflora) der bis auf 4.450m steigt. Es sind Spezialisten der offenen Wuchsorte, wie sie Geröllschutt bietet, die in den alpinen Rasen nicht konkurrenzfähig sind. Sie können auch kaum auf höhere Standorte ausweichen, da die Gipfel der Alpen nach oben hin begrenzt sind. Besonders endemischen Arten, die nur auf wenige Gipfel gefunden werden, könnte der Klimawandel gefährlich werden. Die meisten alteingesessen Alpenpflanzen der höheren Lagen können ab einer Temperatur von 5°C wachsen. Beobachtungen zeigen nun das Pflanzen oberhalb der Waldgrenze jedoch nicht einfach auf die Temperaturzunahme reagieren. Ihr Wachstum wird von der Tageslänge im Frühjahr bestimmt. Dadurch entsteht ihnen ein Nachteil zu den Neuankömmlingen. Diese Arten, die sich nach der Temperatur richten, können durch die allgemeine Erwärmung früher mit dem Wachstum starten und sich schneller ausbreiten und so den alteingesessen, lichtorientierten Pflanzen den Platz wegnehmen.

Eine Veränderung der Temperaur und des Niederschlags wirkt sich nicht nur direkt auf die Pflanzen aus, sondern verändert auch ihre Umgebung. Rutschungen und Felsstürze können im Hochgebirge häufiger werden. Steile Felsen und Klippen können Pflanzen nicht hinaufkletter, Der Boden ist in höheren Lagen auch nicht so gut entwicklet wie in den tiefern Lagen. Viele Böden benötigen Jahrhunderte bis Jahrtausende um sich zu entwickeln, erst in einer fernen Zukunft könnte sich daher hoch in den Bergen gute Böden für die ausweichenden Pflanzenarten entwicklen.
 
 

Literatur:
 
GAMS, H. (1935): Das Pflanzenleben des Glocknergebietes. Zs. d.D.u.Ö.AV, Bd.66: 168
KLEBELSBERG, R.v. (1913): Das Vordringen der Hochgebirgsvegetation in den Tiroler Alpen. Sonderabr. a.d.ÖBZ, Jg. 63:23

STEINBAUER, M.J. et al. (2018): Accelerated increase in plant species richness on mountain summits is linked to warming. Nature, Vol.556:231-234

Mittwoch, 21. September 2016

Naturforscher Conrad Gesner (1516-1565)

Ich habe niemals etwas beschrieben, ohne es zuvor mit eigenen Augen gesehen und die Anatomie seiner äußeren wie inneren Teile untersucht zu haben.“
Ulisse Aldrovandi

Gesner wurde 1516 in Zürich geboren. Er hatte ein natürliches Talent für Sprachen und studierte später Medizin in Basel. Ab 1554 wirkte er als Oberstadtarzt in Basel. Er liebte das Sammeln von Kuriositäten wie exotische Tiere, getrocknete Pflanzen, Edelstein, Mineralien und Fossilien. Pflanzen und Mineralien spielten außerdem in der damaligen Medizin eine wichtige Rolle als natürlich vorkommende Heilmittel (Materia medica). Er veröffentlichte Historia animalium (1551-1558) und Fossilia, das erste gedruckte und bebilderte Buch über Fossilien, sein Historia plantarum blieb leider unveröffentlicht, da er kaum 50-jährig an der Pest erkrankte und verstarb.
 
Historia animalium wurde als „Allgemeines Thierbuch“ ins Deutsche übersetzt. Es sollte eine Art Nachschlagewerk über alle bekannten Tierarten werden, in dem alles wissenswertes und bekanntes über das jeweilige Tier aufgezeichnet wurde. Jede Tierart wird in einer Abbildung mit begleitenden Text vorgestellt, wobei die Abbildungen und Beschreibungen teilweise von älteren Autoren übernommen wurde (darunter auch Werke des italienischen Gelehrten Ulisse Aldrovandi, 1522-1605). Der erste Band behandelt die lebend gebärenden Vierfüßler, der zweite die Eier legenden Vierfüßler, der dritte Band die Vögel und der vierte die Wassertiere. Im Gesners Werk findet man auch die älteste gedruckte Abbildung einer Gams (Rupicapra rupicapra) neben anderen typischen Tieren der Alpen.

Die Gams aus Gesners Allgemeines Thierbuch“ (1565).

Samstag, 10. September 2016

Alexander Freiherr von Humboldt und die Pflanzenkunde

"Auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluss der unbelebten Schöpfung auf die belebte Thier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein."

"Wir sind wunderbare Ketzer: Leute, welche die Welt durchlaufen, um Pflanzen zu suchen."

Alexander von Humboldt (1799)

Friedrich Alexander Freiherr von Humboldt (1769-1859) stammt aus einer angesehenen und reichen Familie. Bereits als Jugendlicher interessierte er sich für Naturbeobachtung, besonders angetan hatten es ihm Pflanzen und er wird zeitlebens seine Liebe zur Botanik betonen.

In 1797 erbte er den gesamten Familienbesitz - Humboldt war nun finanziell komplett unabhängig und frei sich einen großen Kindheitstraum zu erfüllen: eine ausgedehnte Forschungsexpedition in die Tropen.
Humboldt bereitete sich gewissenhaft darauf vor, so besuchte er verschiedene naturwissenschaftliche Sammlungen um sich zu dokumentieren. Ende April 1798 lernte er dabei den französischen Botaniker Aimé Jacques Alexandre Bonpland (1773-1858) kennen. Bonpland plante eigentlich eine Teilnahme an der Baudin-Expedition, die Australien erkunden sollte, aber da diese auf unbestimmte Zeit verschoben wurde schloss Bonpland sich Humboldt an. Im Juni 1799 war es soweit und sie schifften sich nach Venezuela ein. Die beiden Naturkundler besuchten Venezuela, Kolumbien, Peru, Ecuador, Mexiko und Kuba. Sie bestiegen den Chimborazo und erforschten den Amazonas. Humboldt und vor allem Bonpland legen etwa 60.000 Herbarien-Blätter an mit insgesamt 6.000 Arten von denen 3.000 der damaligen Wissenschaft noch unbekannt waren. In dem Buch „Essai sur la geographie des plantes“ - Humboldt widmete übrigens die deutsche Ausgabe seiner Schriften zur Geographie der Pflanzen seinem Freund Johann Wolfgang von Goethe - beschreibt Humboldt zum Ersten Mal den Einfluss von Höhe, Lage, Temperatur und Klima auf das Pflanzenwachstum. Die von ihm gegründete Pflanzengeographie führte zur modernen Pflanzenökologie.

 
Abb.1. Auch Dichter und Naturforscher Goethe beschäftige sich mit Botanik, in einem Brief von 1807 an Humboldt fügte er eine Zeichnung einer andinen (mit Vulkan) und alpinen Landschaft bei, erkennbar sind die verschiedenen Höhenstufen mit ihren charakteristischen Pflanzen.

In einer Zeit in der die meisten Botaniker eher nur daran interessiert waren Pflanzen zu bestimmen und zu katalogisieren, war Humboldts Methode eine Neuerung – die Pflanze wurde als Teil eines komplexen Netzwerks gesehen, verschiedene Arten waren voneinander abhängig wie auch beeinflusst von der Umwelt. 

Abb.2. Profile der Höhenstufen und Vegetationsgürtel der Erde, aus dem Berghaus-Atlas (1845-1862), als Beilage zu Humboldts Lebenswerk "Kosmos" gedacht später aber als eigenes Buch herausgebracht In dieser Darstellung erreicht Humboldts Philosophie ihren Höhepunkt: die Geologie der Vulkane, die Klimata verschiedener Höhenstufen, die Exposition und Neigung der Topographie - alles Faktoren die die Vegetationsgürtel beeinflussen - ihrereseits können die Pflanzen abiotische Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Niederschlag beeinflussen - die Natur als vernetztes "Ganzes".

Literatur:

EGERTON, F.N. (2009): A History of the Ecological Sciences, Part 32: Humboldt, Nature's Geographer. Bulletin of the Ecological Society of America: 253-282
HUBMANN, B. (2009): Die großen Geologen. Marix-Verlag: 192
WULF, A. (2015): The Invention of Nature: Alexander von Humboldt's New World. Knopf Publisher: 496

Mittwoch, 7. September 2016

Zitat: Die Naturkunde...

Die Naturkunde in ihrem vollem Umfang ist eine unermessliche Geschichte, sie umfasst alles, womit uns das Universum beschenkt. Diese wunderbare Vielfalt von Vierfüßlern, Vögeln, Fischen, Insekten, Pflanzen, Mineralien etc. bietet der Neugier des menschlichen Geistes ein riesiges Schauspiel, in dem das Ganze so groß ist, wie es erscheint und wie es ist, und seine Einzelheiten so unerschöpflich sind.
Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon, "Histoire naturelle, générale et particuliére" (Allgemeine und spezielle Naturkunde),1749. Graf von Buffon plante 50 Bänder seiner populärwissenschaftlichen Naturkunde, veröffetlicht wurden letztendlich nur 44, allerdings war sein Werk so populär das verschiedene Ausgaben, sogar für Kinder, gedruckt wurden.

Die Gams aus "Buffon´s Natural History" (1791).

Samstag, 3. September 2016

Der Vulkan lebt - Die Wiederbesiedelung vulkanischen Ödlands

Das Unbedeutende und das Außergewöhnliche sind beide die Architekten der Natur.
Carl Sagan


In 1883 explodierte die Vulkaninsel Krakatoa in einer Nacht und einen Tag. Die 25 Quadratkilometer großen Reste wurden von bis zu 30m Asche zugedeckt. Die ersten Naturforscher, unter der Leitung des Ingenieur und Geologen R.D.M. Verbeek, besuchten die traurigen Reste am 15. Oktober 1883 und sammelten Gesteinsproben in der verwüsteten Landschaft  – jegliches Leben schien ausgelöscht zu sein.  

Abb.1. Die Reste von Krakatoa,  Abbildung aus Verbeek, R.D.M. (1885) Krakatau.

Aber nach nur drei Jahren konnten die ersten Algen und Farne, insgesamt 26 verschieden Pflanzenarten, nachgewiesene werden. Elf Jahre später tauchten die ersten Grasarten auf und die Baumart Casuarina equisetifolia, die Farne wurden vor allem im Inselinneren von einer Savanne-ähnlichen Landschaft mit hochwachsenden Gräsern verdrängt. Um 1906 tauchte immer mehr Baumarten auf (Ficus und Macaranga), 20 Jahre später waren die Inselrest schließlich wieder mit einem tropischen Dschungel bedeckt.  Krakatoa war das erste gut erforschte Beispiel einer Florenabfolge nach einer beträchtlichen Störung und maßgebend für spätere Untersuchungen wie Pflanzen vulkanisches Neuland kolonisieren.
 
Surtsey ist eine Vulkaninsel die am 14. November 1963 aus den Fluten auftauchte. Zunächst wurde vulkanisches Lockermaterial abgelagert, ungefähr sechs Monate nach dem Auftauchen folgten Lavaflüsse die die neugeborene Insel stabilisierten. Als die Eruption im Juni 1967 endete, war die Insel 174m hoch und 2,45 Quadratkilometer groß. In 1965 wurde als erste Pflanze ein Meersenf entdeckt. Als erste Landtiere wurden 1975 Springschwänze entdeckt. Diese Gliederfüßer werden von der Oberflächenspannung des Wassers getragen und konnten so auf der jungen Vulkaninsel anlanden. Sogar eine Tomatenpflanze schaffte den Sprung auf die Insel.

Der Ausbruch des Mount St. Helens am 18. Mai 1980 war durch eine überrasschende Varietät von vulkanischen Phänomenen begleitet - eine Stein- und Glutlawine überdeckte mehr als 60 Quadratkilomter und verbrannte fünfzehn. Mehr als 550 Quadratkilomter von dichten Douglas-Tannen Wald wurden durch die Druckwelle der Eruption niedergemäht und die äusseren Zonen durch heißen Gase, Schlammströme und Aschefall verbrannt oder begraben.
 
Vor der Eruption wurden in den Lebensräumen rund um den Krater 286 Pflanzenarten gezählt, danach war nur noch eine graue Mondlandschaft übrig.
 
Die vulkanischen Ablagerungen wiesen völlig unterschiedliche geologische Eigenschaften als die vorherigen Böden auf - stark wasserdurchlässig mit einem sauren pH, schutzlos der gleissennden Sonne ausgesetzt - und doch, bereits ein Monat später wurden di ersten Pflanzen auf den Vulkanablagerungen entdeckt. 
Die Beobachtungen am St. Helens stellten einige Ansichten der klassischen Pflanzen-Sukzession, wie sie bei Besiedelung von Ödland erwartet wurde, in Frage: die theoretische langsame Abfolge von Pionierarten zu Arten einer Klimax-Gesellschaft fand so nicht statt. Zufällig eingebrachte Samen konnten sich rasch entwickeln. Anspruchsvollere Arten kamen so früher auf, anspruchslos Arten wie Moose spielten dagegen eine geringere Rolle. Arten verschiedener Pflanzengemeinschaften traten daher zusammen auf. 
Überlebende Individuen, Wurzeln und Samen in der Erde, und Überbleibsel der vorherigen Vegetation, wie die zahlreichen Baumstämme, spielten eine entscheidende Rolle, die Natur musste nicht komplett neu beginnen sondern konnte auf diese „legacies“ zurückgreifen. Um die 20 Pflanzenarten allein hatten in der verwüsteten Zone überlebt und von der weiteren, unbeeinflussten Umgebung wanderten schon bald weitere Pionierarten hinzu. So entwickelte sich die Vegetation in den Zonen in denen die Stämme liegen gelassen worden waren schneller und wies auch eine höhere Artenzusammensetzung auf.

 
Literatur:

DALE, V.H. & ADAMS, W.M. (2003): Plant reestablishment 15 years after the debris avalanche at Mount St.Helens, Washington. The Science of the Total Environment 313: 101-113

DÖRRIES, M. (2003): Global science: the eruption of Krakatau. Endeavour Vol. 27 No. 3: 113-116
WINCHESTER, S. (2003): Krakatoa – The Day the World exploded: August 27, 1883. Viking Books: 367